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Herbstliches Abenteuer-Rudern um die Maddaleneninseln (Sardinien)

Dieses Mal trauen wir uns (9 erfahrene Ruderer von der RG SeeMalRhein in Radolfzell, unter Verantwortung von Norbert Findeisen), bei unserer Wanderfahrt Ende September/Anfang Oktober aufs Tyrrhenische Meer und rudern im nördlich von Sardinien gelegenen Maddalena-Archipel.
Von den Römern wurden die Inseln wegen der vielen wilden Kaninchen Cuniculariae genannt. Heutzutage sind zahlreiche Schafe und Ziegen Bestandteil der Tierwelt Sardiniens.
Die Inseln wurden 1994 zusammen mit der nördlich davon verlaufenden Straße von Bonifacio zum Maritimen Naturpark erklärt.
Wegen des ständigen Westwindes um 40 km/h sind sie besonders bei Seglern beliebt.

Von den sieben zum Archipel gehörigen größeren Inseln werden wir die Hauptinsel La Maddalena sowie Caprera (nur diese beiden sind bewohnt) und die kleinste Insel Santo Stefano umrunden – und diverse namenlose kleinere Inseln des Archipels ebenso.

Von Radolfzell aus sind wir mit einem Sprinter inklusive Anhänger mit unserem vereinseigenem Finnischen Kapellenboot „Kadima“ Richtung Italien unterwegs. Das Boot hat ca. 10 m Länge, 1,95 Breite, ein Gewicht von etwa 400 kg und verfügt über 8 Riemenruderplätze. Und Kadima ist eine Schönheit.

Unser Kapellenboot „Kadima“ macht Eindruck

Von Genua aus setzen wir mit der Nachtfähre Richtung Porto Torres/Sardinien über – vorbei an Korsikas Ostküste und dann die Straße von Bonifacio kreuzend. Beim Warten auf das Einschiffen begegnet uns der Fähr-Kapitän, ganz in Weiß, ganz Italiener, ganz Kapitän und bewundert Kadima und streicht angetan über die Bordwand. Auf die Fähre und bis ganz hinten auf das Parkdeck gelangen wir rückwärts, was Norbert natürlich perfekt meistert.

Morgens, nach über 200 Seemeilen Überfahrt, landen wir frisch und ausgeruht in Porto Torres im Nordwesten der Insel an. Frühstück gibt’s genüsslich in einer Bar am Straßenrand.

Auf der gewundenen Küstenstraße fahren wir zu unserem weiter östlich gelegenen Standort bei Arzachena. Die überschaubare Stadt gilt als Zentrum des Urlaubsgebietes Costa Smeralda im Nordosten Sardiniens.

Die ersten Eindrücke sind: Sommerwetter, Sonne, 28 °C, leichte Brise, Mittelmeerflora mit Palmen, Oleander und Kakteen. Die Küstenlinie wird von bizarren, von Wind- und Wassererosion ausgehöhlten und großen kompakten Felsen geprägt; die hügelige bis bergige Landschaft ist abwechslungsreich, felsig aber überwiegend grün mit niedrigem Bewuchs, Macchia und Pinien.

Unser Domizil für eine Woche hat keine Postadresse und auch das Navi versagt. Google findet schließlich das Feriendomizil „Angelica“, etwa 6 km vom Arzachena entfernt, Prädikat in Alleinlage. Es gibt zwar ein offenes Tor, aber das Gelände öffnet sich nach allen Seiten in eine endlose ursprüngliche Landschaft und Fernblick vom Frühstückstisch aus. Das Ensemble besteht aus 3 neuen, in U-Form angeordneten Häusern, offen zum Swimmingpool und einem perfekt mit Liegestühlen und Hollywoodschaukel ausgestattetem Freizeitbereich. Auch innen fehlt es an nichts, 9 Personen finden reichlich Platz, und es könnten noch einige mehr sein. Jedes Haus ist mit Küche und Bad ausgestattet. Im zentralen Esszimmer dominiert ein riesiger runder Tisch mit 9 Plätzen, der passt genau für uns.

Einkaufsmöglichkeiten im Supermarkt gibt es auch am Sonntag in der Stadt sowie einen Bäcker für die täglichen Frühstücksbrötchen.

Wir erkunden die Umgebung auf der Suche nach einer Slipmöglichkeit für unser Boot, werden aber weder im Hafen von Cannigione (Golf von Arzachena) noch in dem an der Nordküste gelegenen Hafen von Palau fündig: die Hafenmeister haben sonntags frei und eine Schranke versperrt jeweils den Slipbereich. Also haben wir genügend Zeit, die Gegend zu erkunden und photographieren die für die Gegend typischen Felsformationen. Am markantesten und weithin sichtbar der hoch vom Berg blickende Bärenfels Capo d’Orso nahe Palau, Wahrzeichen Nord-Sardiniens.

Montag, 30.09.2019, ist unser erster Rudertag. Wenngleich der Hafenmeister in Cannigione wieder nicht im Dienst und nicht erreichbar ist, öffnet jemand für uns die Schranke zum Hafen und wir können das Boot slippen.

Wir rudern entlang der östlichen Küste des Golf von Arzachena und entlang der nördlichen Küstenlinie bis zum Capo Ferro. Dann um eine kleine namenlose Insel weiter nördlich in offenerem Wasser entlang der westlichen Seite der Bucht zurück, immer mit Blick auf die wilde Steinküste und die weiter nördlich gelegenen Inseln.

Vor allem vormittags erwarten uns frischer Nordwestwind und ruppige Wellen, auch mit Schaumkronen, die schon mal beherztes Rudern verlangen, ein kleiner Vorgeschmack auf die kommenden Tage. Ruderstrecke 27 km.

Am Dienstag, 01.10.2019, dem zweiten Rudertag, gehts von Cannigione entlang der westlichen Küstenlinie der Bucht nach Norden vorbei am von Touristen umlagerten Leuchtturm vom Capo d’Orso. Wind und Wellen sind heute gnädiger mit uns und das Rudern macht richtig Spaß. Wir umrunden im Uhrzeigersinn die kleinste der drei Inseln, Isola Santo Stefano, mit wieder unterschiedlichen Felsformationen, sie sind schroff und gefältelt. Ständig sichtbare Landmarke bleibt das „Kap des Bären“. Anlanden ist nicht möglich wegen des ausgedehnten militärischen Sperrgebietes, einem ehemaligen amerikanischen U-Boot-Stützpunkt, der aber seit 2007 nicht mehr genutzt wird und verwaist ist. Auch von einem Anleger auf der gegenüber liegenden Festlandseite werden wir wegen des militärischen Sicherheitsbereiches von der Security höflich, aber bestimmt vertrieben. Diesmal ist unser Tagesziel der größere Hafen von Palau, der professioneller betrieben ist. Für die nächsten 3 Tage wird uns von der Hafencrew im Schlauchboot ein Liegeplatz zugewiesen und da liegt die Kadima an der Pontile G zwischen einer Motoryacht und einem größeren Schlauchboot an der Kaimauer, mit Mooringleine sicher festgemacht.

Illusteres Ambiente – aber wir finden unseren Platz.

Es gibt ein Hafenmeisterbüro, in dem wir uns anmelden. Ein Ruderboot hat hier allerdings noch nie jemand gesehen und diese Möglichkeit ist daher auf dem Meldezettel nicht vorgesehen. Die jungen Damen in der Capitaneria sind begeistert und die Kosten mit 7,– € überschaubar. Ruderstrecke 29 km.

Am Mittwoch, 02.10.2019, folgt die Umrundung der deutlich größeren östlichsten Insel Caprese gegen den Uhrzeigersinn und da geht es richtig zur Sache. 5 Windstärken waren vorhergesagt, in Böen sind es aber deutlich mehr. Während wir auf der Ostseite unter Landabdeckung noch einen kurzen Halt auf dem Wasser machen können, bläst im Norden ein strammer Westwind, der die Wellen aufpeitscht und statt einzelner Schaumkronen gibt es nur noch schäumende Gischt. Die Wellen kommen vom Bug und von Steuerbord über und wir sind schnell nass bis auf die Haut, zum Glück alles bei Sonnenschein und sommerlichen Temperaturen. Wir 8 Riemenruderer geben alles und pflügen uns ohne innezuhalten durch die Gewalten, während unser Steuermann versucht, die Wellen im bestmöglichen Winkel anzuschneiden. Für die heftigsten 3 km brauchen wir 2 Stunden, sonst sind wir durchaus mit 8–9 km/h unterwegs. Zurück unter Landabdeckung von Maddalena beschert uns unser Steuermann die Belohnung für die Mühe: Er steuert uns hoch konzentriert zwischen aus dem Wasser ragenden oder knapp unterhalb der Wasserlinie gelegenen Felsen perfekt in seichtes Wasser, hin zu einem Kiesstrand des Nationalparks La-Maddalena-Archipel mit Felslandschaft, Gräsern und Macchia, auf den wir sachte auflaufen. Strand und unglaublich türkisfarbenes kristallklares Wasser bieten eine kaum noch erwartete Idylle zur Erholung und Picknick. Außerdem angesagt: trocknen und Boot ausschöpfen. Allerdings geht es auf den letzten 3 km nach Palau nach Passieren der Brücke Ponte Moneta noch einmal kräftig gegen Wind und Wellen an. Trockene Kleidung, Dusche und ein köstliches Abendessen am großen Tisch belohnen uns. Ruderstrecke 38 km.

Am Donnerstag 03.10.2019, war eigentlich eine 3-Insel-Tour um die nordwestlich gelegenen Inseln Spargi, Santa Maria und Razzoli vorgesehen, die aber weite Strecken über offenes Wasser beinhaltet, was bei wiederum 5 Windstärken nicht angesagt ist. Stattdessen umrunden wir Maddalena im Uhrzeigersinn mit respektvollem Abstand von der Felsenküste.
Der Nordwestwind erwischt uns dennoch und nördlich der Insel rollt jeweils eine lange Grundwelle von Backbord auf uns zu, auf der das Boot zwar fast surfen kann, die überlagerten kleinen kurzen Wellen peitschen uns aber trotzdem. Aus Steuermannperspektive sind die Wellen oft höher als der Bug. Die südöstlich gelegene Bucht für die Mittagspause Cala Petecchia erweist sich als nicht sehr idyllisch und ist eine Sackgasse, eigentlich sollte es einen Durchlass mit Brücke nach Osten geben. Also zurück, um die Isola Giardinelli und dann noch einmal unter der Brücke Ponte Moneta hindurch und südlich der Insel durch eine ganz niedrige Brücke – und Kopf einziehen. Wir passieren die Marina Militare, wieder mit ausgedehnter militärischer Infrastruktur und Marineschiffen, sowie den Yachthafen und den Hauptort der Insel gleichen Namens La Maddalena mit der typisch ocker-rötlich-farbigen Bebauung. Drinks in der Bar in Palau und Spaghetti zu Hause belohnen uns für die Ruderstrecke von 38 km.

Am Freitag 04.10.2019, beginnt die Tour bei perfekten Wetterverhältnissen südlich vorbei an Santo Stefano und Stagnali und Spiaggia del Relitto gen Osten. Umrundung weiterer kleiner östlich gelegener Inseln, vorbei am Capo Ferro.

Noch isses ruhig …

Das Wasser ist vormittags friedlich und glitzert magisch im Sonnenlicht. Ziel für die Mittagspause ist Poltu Quatu, eine Nobel-Marina am Ende einer schmalen Bucht am Festland, Liegeplatz von millionenschweren Yachten. Außer am Tauchstützpunkt sind jedoch an Land nach Saisonende alle Läden und Häuser leer, keine Seele zu sehen. Das einzig offene Restaurant mit Pool und langer Tafel unterm Naturdach gehört zum 5-Sterne-Grand-Hotel mit entsprechenden Preisen. Eine Portion Pommes gibt es für 13,– €, einen Aperol für 18,– €. Aber in unserer Runde ist es sehr gemütlich.

Nach der Pause dann das übliche Szenario: Wir kämpfen gegen Wind und Wellen an und das Boot stampft durch die Gischt und wir werden ein letztes Mal durchnässt. Diesmal legen wir wieder im Ausgangshafen Cannigione an, wo die Männer das Boot am Folgetag slippen und verladen werden. Es gab keine Ausfälle und abgesehen von einer Riefe am Bug von einem Anlegemanöver und einer leicht verbogenen Riemenumrandung keine Schäden. Ruderstrecke erneut 38 km.

Das Essen am Abschiedsabend in einem Fischrestaurant ist köstlich: Erst wird uns als Tagesgericht ein 80 cm großer Fisch aus tagesfrischem Fang in der Küche präsentiert, aber auch die anderen Fischgerichte sind frisch und großartig zubereitet und der Wein ist süffig. Zum Dank für die Organisation bekommt unser Fahrtenleiter ein SeeMalRhein-Shirt mit Aufdruck „Sardinien 2019“ und von den Mädels selbst gestaltetem Umriss der Isola Maddalena. Wir bekommen alle jeder eines und sind sehr stolz darauf.

Am Sonnabend sagt der Wetterbericht nunmehr 70 km/h Westwind voraus und ein kleines Tief beschert einen kurzen morgendlichen Regenguss, so dass wir uns statt aufs Rudern auf die Kultur besinnen. Gleich vom Grundstück aus sind wieder riesige eiförmige oder runde ausgehöhlte Granitfelsen erreichbar, manche zur Höhle geworden, andere durchlöchert, spiralförmig angeordnet oder wie nur auf schmalen Beinen stehend zu bestaunen, nur dass diese Gewichte von einer bis zu 15 Tonnen tragen müssen und doch felsenfest stehen. Absolut beeindruckend.

Zuletzt besuchen wir zwei der sieben Archäologischen Monumente von Arzachena. Eines der hiesigen Gigantengräber ist Tomba di Giganti Li Lolghi, eine beeindruckende prähistorische, von den Nuraghern (Blütezeit um 1800 v. Chr.) erbaute Gemeinschaftsgrabstätte.
Sie diente zur Bestattung ihrer Toten und ritueller Ehrung der Vorfahren sowie als Statussymbol ihres Besitzes. Die Grabstätte von beeindruckender Größe von 27 m Länge mit Steinelementen aus verschiedenen Perioden und mit 3,75 m Höhe besitzt eine der größten ovalären monolithischen Stelen. Bei der Nekropoli Li Muri handelt es sich um eine in mehreren Steinkreisen angeordnete Grabstätte.

Für alle sieben derartigen Monumente im Umkreis reicht die Zeit nicht. Übrigens gibt es eine kleine, sehr zu empfehlende Bar mit windiger Außenterrasse ganz in der Nähe von Li Muri.

Der Rest ist schnell erzählt. Diesmal nehmen wir die Nachtfähre ab Olbia, dem Haupthafen Sardiniens im Nordosten. Wie immer wird Kadima vom Hafenpersonal noch einmal gebührend bewundert, die Daumen gehen hoch.

Vom Schiff aus können wir zum Abschied das Meer und den Blick auf das Maddalenen-Archipel, Korsika und das Festland genießen.

Fazit: Die Tour war ein landschaftliches Highlight und eine echte Herausforderung. Rudern ist dort – zumindest um diese Jahreszeit – jedoch nur mit stabilen Booten und erfahrener Crew zu empfehlen. Jegliche Infrastruktur ist vorhanden, zahlreiche Bars und Restaurants laden nach langen Rudertagen ein.

Dank an Norbert für die Auswahl, perfekte Organisation und Realisation dieser unvergesslichen Abenteuerreise.

VERÖFFENTLICHT VON UNTER Allgemein, Italien, Kirchboot AM 3. November 2019

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